Neue Teammitglieder gesucht.
Experten-Interview zum Thema Arbeitsrecht
Sönke Runge ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht in der Anwaltskanzlei BROCK MÜLLER ZIEGENBEIN in Lübeck, wo er schwerpunktmäßig bau- und arbeitsrechtliche Mandate betreut. Kürzlich war er Speaker auf der Veranstaltung „Gründen mit Recht – Was StartUps zum Thema Recht wissen müssen“. Uns interessiert, was StartUps bei der Suche und Anstellung neuer Mitarbeiter unbedingt beachten müssen.
Herr Runge, viele StartUps stehen irgendwann vor der Herausforderung, neue Teammitglieder einstellen zu müssen. Leider fehlt hier oftmals die Erfahrung. Was sollten StartUps bei einer Stellenanzeige unbedingt beachten? Gilt es z. B., bestimmte Formulierungen zu vermeiden?
Wenn ein StartUp eine Stellenanzeige veröffentlicht, hat es die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (kurz AGG) zu beachten. Das AGG soll dafür sorgen, dass niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt wird. Wird ein Bewerber aus einem der genannten Motive benachteiligt, steht ihm ein Entschädigungsanspruch zu. Für die Durchsetzung dieser Ansprüche sieht das AGG Beweiserleichterungen vor. Kann der Bewerber Indizien für eine Diskriminierung vorlegen, so muss das StartUp beweisen, dass es den Bewerber nicht wegen eines der oben genannten Merkmale benachteiligt hat. Wenn Stellenanzeigen verfasst werden, sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, dass der Text keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung enthält.
Anhaltspunkte für eine Diskriminierung sind z.B. Formulierungen wie
„Assistentin gesucht“, „jung und dynamisch“ oder „Muttersprachler“. Stattdessen sollte die Anzeige neutral formuliert werden, bspw. durch den Text „Assistent (m/w/d) gesucht“.
In der Praxis weitgehend unbekannt ist, dass der Arbeitgeber auch zu prüfen hat, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, insbesondere mit solchen, die bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind. Der Arbeitgeber muss frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, ist auch dies ein Indiz für eine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung.
Wenn es zu einem Bewerbungsgespräch kommt: Wie sieht es mit einer Kostenerstattung von Fahrt und Übernachtung aus? Muss das StartUp diese übernehmen?
Lädt der potentielle Arbeitgeber den Bewerber zum Vorstellungsgespräch ein, muss er die Kosten erstatten, wenn er nicht vor dem Termin etwas Gegenteiliges erklärt hat. Zu ersetzen sind die Kosten, die der Bewerber nach der Stellenanzeige und der Art der ausgeschriebenen Position für erforderlich halten durfte.
Erklärt der Arbeitgeber aber ausdrücklich, dass er keine Kosten übernimmt und stellt sich der Bewerber daraufhin vor, so muss der Arbeitgeber die Vorstellungskosten nicht übernehmen. Schon im Einladungsschreiben sollte zur Klarheit darauf hingewiesen werden, ob und ggf. welche Kosten für das Vorstellungsgespräch erstattet werden.
Nun zum Bewerbungsgespräch selbst: Aufgrund noch fehlender Erfahrungswerte als gerade gestartetes Unternehmen weiß man oft noch nicht genau, was man eigentlich fragen darf und was nicht…
Dies lässt sich pauschal nicht ohne Weiteres beantworten. So ist die Frage nach gelöschten Vorstrafen bspw. zwar grundsätzlich unzulässig. Anders sind derartige Fragen aber zu bewerten, wenn sie für die Stelle entscheidend sind, wie bspw. Vermögensstraftaten bei der Einstellung eines Bankmitarbeiters.
Fragen im Bewerbungsgespräch sind zulässig, soweit der potentielle Arbeitgeber an der Antwort ein berechtigtes, billigenswertes Interesse hat. Das Interesse muss so stark sein, dass dahinter die Belange des Bewerbers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und an der Unverletzlichkeit der Individualsphäre zurücktreten. Zulässig sind selbstverständlich Fragen zum Werdegang und zur Qualifikation, unzulässig sind Fragen zur privaten Lebensführung (bspw. „Rauchen Sie?“) oder Lebensplanung („Wollen Sie Kinder?“) oder nach einer Schwangerschaft (selbst wenn es um eine Bewerbung für eine Stelle als Schwangerschaftsvertretung geht).
Wird eine unzulässige Frage gestellt, darf der Bewerber lügen.
Leider passt es nicht: Muss in einem Absageschreiben eigentlich ein Grund genannt werden?
Grundsätzlich muss im Absageschreiben kein Grund genannt werden, warum die Bewerbung nicht erfolgreich gewesen ist. Rechtlich ist es sogar der sicherere Weg, auf eine Begründung zu verzichten und pauschal darauf hinzuweisen, dass ein Konkurrent besser dem Anforderungsprofil entsprochen hat. Damit liefert man keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung.
Anders ist die Situation bei der Absage von schwerbehinderten Bewerbern, wenn der Gründer bereits mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt und die Schwerbehindertenquote (§ 154 Abs.1 SGB IX) nicht erfüllt. Er muss dann dem Bewerber die Gründe darlegen, warum er ihm absagt. Eine Standardabsage wäre in diesem Fall ein Indiz für eine Diskriminierung. Sofern der Arbeitgeber die Schwerbehindertenquote erfüllt, genügt hingegen – wie im Regelfall – eine formlose Absage.
Stichwort Cultural Fit: Viele StartUps stehen vielleicht zum ersten Mal vor der Herausforderung, Mitarbeiter einstellen zu müssen. Wie finde ich die richtigen Mitarbeiter für das eigene StartUp. Woher weiß ich eigentlich, wen ich suchen soll?
Häufig weiß ich, wen ich suchen soll, wenn ich mir genau angucke, was wir tun und wo wir noch Schwierigkeiten haben, eine Aufgabe durchzuführen. Mit der Methode der Business model canvas sehen wir recht schnell, welche Ressourcen oder Tätigkeiten einem Unternehmen noch fehlen, um erfolgreich zu handeln. Diese Menschen sollte ich dann suchen. Manchmal muss man sehr pfiffig um die Ecke denken, um an diese Menschen ranzukommen und den Kontakt zu ihnen herzustellen. Das lohnt sich aber auf jeden Fall. Die Schema F-Stellenanzeige tut es in der Regel nicht.
Die Stellenanzeige wurde veröffentlicht, der Kandidatenpool gescreent, Interviews geführt und ein Kandidat ausgewählt. Worauf sollte jedes StartUp beim Aufsetzen eines befristeten Arbeitsvertrags unbedingt achten?
Befristete Verträge müssen schriftlich abgeschlossen, also von beiden Seiten unterschrieben werden.
Unterschieden werden 2 Arten von befristeten Verträgen, Befristungen mit Sachgrund und Befristungen ohne Sachgrund.
Bei einer Befristung ohne Sachgrund hat das Start-up den Vorteil, dass es keinen sachlichen Grund für die Befristung braucht. Dafür kann die Befristung aber bei Neugründungen nur für 4 Jahre, ansonsten sogar nur für bis zu 2 Jahre erfolgen. Innerhalb des 2-Jahreszeitraums kann bis zu dreimal verlängert werden. Bei sachgrundlos befristeten Verträgen darf nicht bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden haben. Bei diesen Verträgen ist peinlich darauf zu achten,
– dass der Mitarbeiter keinen Handschlag macht, bevor der Vertrag von beiden Parteien unterschrieben ist ,
– dass nicht gleichzeitig mit der Vertragsverlängerung Vertragsbedingungen geändert werden und
– dass der Mitarbeiter keinen Handschlag macht, nachdem der Vertrag beendet ist. Ansonsten entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Bei der Befristung mit Sachgrund ist zu prüfen, ob tatsächlich einer der in § 14 Abs.1 TzBfG genannten Gründe vorliegt.
Die befristeten Verträge sollten ausdrücklich bestimmen, dass die ordentliche Kündigung möglich ist. Ansonsten wäre während der Befristung nur die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich.
Eine häufige Frage, die wir von Gründern immer wieder zu hören bekommen, lautet: Was muss ich als Arbeitgeber bei einem Mini-Job-Arbeitsverhältnis unbedingt berücksichtigen?
Handelt es sich bei dem Mini-Job um einen 450,00 EUR-Job, ist darauf zu achten, dass nicht mehr als 450,00 EUR pro Monat verdient wird, weil ansonsten ein voll sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis entsteht.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Arbeitnehmer nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Denn wenn der gesetzliche Mindestlohn erhöht wird, müssen dann möglichweise die Arbeitsstunden pro Monat herabgesetzt werden, damit der Grenzwert von 450,00 EUR noch eingehalten und nicht überschritten wird.
Zu beachten ist auch, dass es sich auch beim Mini-Job um ein vollwertiges Arbeitsverhältnis handelt. Der Mitarbeiter hat daher Anspruch auf Urlaub und im Krankheitsfall auf Entgeltfortzahlung.
Ist eigentlich auch ein Werkstudentenvertrag ein „normaler“ Arbeitsvertrag oder gibt es da Unterschiede?
Der Werkstudentenvertrag ist in der Regel ein normaler Arbeitsvertrag. Werkstudenten haben daher – wie alle Arbeitnehmer – Anspruch auf Urlaub und im Krankheitsfall auf Entgeltfortzahlung. Die Besonderheit liegt darin, dass Studenten von den meisten Beiträgen zur Sozialversicherung befreit sind, solange sie gewisse Voraussetzungen einhalten.
Könnten Sie uns vielleicht kurz die Unterschiede zwischen einem Praktikumsvertrag von einem Arbeitsvertrag erklären?
Beim Praktikumsvertrag steht im Vordergrund, dass der Bewerber praktische Fertigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen erwirbt. Beim Arbeitsvertrag wird hingegen eine Arbeitsleistung erbracht.
Auch beim Praktikum kann ein Anspruch auf den Mindestlohn bestehen.
Wie unterstützen Sie und Ihre Kanzlei StartUps bei Ihrem Weg in die Selbstständigkeit?
Wir beraten StartUps in der Gründungsphase vor Allem bei der Vertragsgestaltung. So erstellen wir die für das Unternehmen passenden Arbeitsverträge, aber auch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Wir stehen StartUps bei allen rechtlichen Fragen und Problemen zur Seite und bieten auch Schulungen an.
Herr Runge, vielen Dank für das interessante und informative Gespräch.
Interviewpartner:
Sönke Runge
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht
Anwaltskanzlei BROCK MÜLLER ZIEGENBEIN
Kanalstraße 12-18, 23552 Lübeck
Telefon: +49 451 70289-0
Internet: https://www.bmz-recht.de
Sönke Runge
Rechtsanwalt, Spezialgebiet Arbeitsrecht BROCK MÜLLER ZIEGENBEIN