Marktpotenziale Lateinamerika.
Experten-Interview: Worauf sollten StartUps beim Markteinstieg besonders achten?
Lateinamerika wird nur selten bei Gründern als potenzieller Absatzmarkt wahrgenommen. Dabei bietet diese Region riesige Chancen für StartUps aus Schleswig-Holstein. Peter Buerstedde (GTAI-Korrespondent) beschreibt in dem Interviews worauf es beim Markteintritt ankommt.
In welchen lateinamerikanischen Märkten sehen Sie für StartUps in den Bereichen Medizintechnologie, Erneuerbare Energien und Informationstechnologien die größten Chancen?
Diese Branchen spielen in der ganzen Region eine wachsende Rolle und StartUps finden hier ein interessantes Betätigungsfeld. So sind etwa die Gesundheitssysteme in den vergangenen Jahren stark ausgebaut und auf bisher unversicherte Bevölkerungsschichten ausgeweitet worden. Sie leiden aber vielfach unter Versorgungsengpässen und fehlender Kostentransparenz für Patienten.
In vielen Ländern der Region gibt es im Gesundheitssektor bereits Startups, die Ferndiagnosen anbieten, Gesundheitsinformationen für unterversorgte Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stellen oder etwa Terminabsprachen online ermöglichen. Bei erneuerbaren Energien gibt es Anbieter, die für Haushalte mit hohen Stromausgaben, Photovoltaikanlagen finanzieren und aufstellen, selber eine Marge verdienen, während sie dem Kunden die Stromrechnung verringern.
Die wichtigsten Märkte sind zunächst die großen urbanen Zentren. In Santiago de Chile, Mexiko-Stadt, Sao Paulo, Buenos Aires aber auch in Bogotá und Lima haben sich in den letzten Jahren die Entwicklungsmöglichkeiten für StartUps stark verbessert. Das wird außerhalb der Region häufig nicht wahrgenommen.
Wo liegen eigentlich die StartUp-Hubs in Lateinamerika, die sich auch für deutsche StartUps anbieten?
In Lateinamerika haben sich die Arbeitsbedingungen für StartUps in den vergangenen Jahren stark verbessert. So hat sich die Förderinfrastruktur mit Acceleratoren und Risikokapitalgebern stark entwickelt. Aber klar stößt ein Gründer hier nicht auf so engmaschige Netzwerke wie in Silicon Valley oder auch in den größeren deutschen Hubs.
Chile mit dem Hub Santiago ist der Vorreiter der Region und hat früher als andere Länder begonnen Startups zu fördern. In Chile, Argentinien, Peru und Brasilien konzentrieren sich die Neugründungen auf die Megastädte Santiago, Buenos Aires, Lima und São Paulo. In Kolumbien spielt neben Bogotá auch Medellín eine größere Rolle. In Mexiko neben Mexiko-Stadt, Guadalajara und Monterrey auch andere Großstädte. Hier spielt auch die Nähe zum riesigen US-Markt eine große Rolle. Inzwischen gibt es auch viele Förderinitiativen jenseits der wichtigsten Hubs in Großstädten der zweiten Reihe. In Brasilien etwa sind Campinas, Recife, Florianopolis, Rio de Janeiro, Porto Alegre und Belo Horizonte erfolgreich in der Förderung von Unternehmensgründungen.
Wie können deutsche StartUps am besten Kontakt zu lokalen Partnern aufbauen?
Ein guter Anknüpfungspunkt für die Suche nach lokalen Partnern, Mentoren und möglichen Kapitalgebern sind die Acceleratoren in der Region. Die wichtigsten Impulsgeber für die StartUp-Szene waren anfangs Start-Up Chile und Wayra. Inzwischen gibt es eine große Anzahl in den Großstädten der Region zum Teil mit Wettbewerben, Zuschüssen oder eigenen Kapitalbeteiligungen. Einige können sogar die Ausstellung von Arbeitsvisa erleichtern. Auch staatliche Entwicklungsbanken etwa in Mexiko und Brasilien sind als Risikokapitalgeber aktiv.
Mit welchen Themen sollten sich Gründer unbedingt befassen, bevor sie mit lokalen Partnern in Kontakt treten?
Gründer sollten versuchen sich mit den lokalen Gegebenheiten so weit es geht vertraut zu machen. Dabei stellt sich automatisch die Frage, wie das eigene Geschäftsmodell angepasst werden muss. Einen guten Überblick über Wirtschaftsstruktur, Recht, Zoll und Entwicklungen in einzelnen Wirtschaftssektoren in der Region bietet natürlich das Informationsangebot von Germany Trade and Invest.
Welches sind die größten Herausforderungen im lateinamerikanischen Raum für junge Unternehmen aus Deutschland?
Vielleicht gewisse kulturelle Unterschiede, die ein Besucher aus Deutschland aufgrund der sehr europäisch anmutenden Umgebung nicht erwarten würde. So besteht trotz herzlicher Offenheit in Lateinamerika in Geschäftsbeziehungen vielfach ein Grundmisstrauen, das erst über längere Zeit abgebaut werden kann. Vielfach orientieren sich die Geschäftsgepflogenheiten gerade in StartUp-Kreisen am US-amerikanischen Modell. Viele junge Unternehmer in der Region sprechen sehr gut Englisch und sind weit gereist. Auch der laxe Umgang mit Terminen und Absprachen spielt im persönlichen Umgang nicht die Rolle, die Menschen in Lateinamerika gerne nachgesagt wird.
Welche drei Tipps würden Sie Startups für eine erfolgreiche Internationalisierung in Südamerika mit auf den Weg geben?
Seien Sie sehr lösungsorientiert und weniger Technik-versessen: Produkte und Dienstleistungen müssen für die Region passen – also Ansätze müssen ein Stück weit „tropikalisiert“ werden. Die Megastädte der Region mit ihren starken Kontrasten zwischen High-Tech und Unterentwicklung haben zum Teil ganz andere Herausforderungen als Großstädte in Deutschland. Bieten aber natürlich auch große Chancen durch eine wachsende, technikaffine Mittelklasse. Zweitens, zeigen Sie sich von ihrer besten Networking-Seite. Unternehmer in Lateinamerika sind im Umgang sehr offen und der Aufbau und die Pflege von Beziehungen sind außerordentlich wichtig. Vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen aufzubauen, dauert aber auch hier seine Zeit. Drittens, Lateinamerika bietet noch mehr Raum für neue Ideen und erfolgreiche Geschäftsideen lassen sich in der Region aufgrund kultureller Ähnlichkeiten leichter skalieren. Also, nutzen Sie die Chancen, die die Region bietet.
Herr Buerstedde, besten Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen zu Lateinamerika findet Ihr auf der Webseite der GTAI: www.gtai.de
Interview: Niclas Apitz – Technikzentrum Lübeck